Die Eine und sonst keine

Andrea fragt 4. Januar 2018

Liebe Maria!

In den letzten Wochen war ich – mindestens – Drei:

Die eine, die in einem unerschütterlichen Aktionismus an den Programmen der Welt teilnehmen will, sich eiskalte Füße samt Erkältung beim Punschstand holt, Geschenke und Weihnachtspost zur rituellen Wiederbelebung von nicht vorhandenen Beziehungen verteilt, sich weihnachtlich fühlen will, sich herausputzt und mit Zuckerhaltigem abfüllt. „Durchhalten!“ ist die Devise, „es geht vorbei!“

Die andere, die erstarrt ist, müde, kränkelnd, träge, lustlos und im Widerstand gegen alles, das sich bisher gut angefühlt hat. Und – in einer ganz abgelegenen Ecke – hockt eine Dritte, die beleidigte Leberwurst. Sie ist beleidigt, weil sie ja eh soooo dran ist an den Dingen. Und immer (sie schwört erbost) ehrlich hingeschaut hat, auf praktisch alles, das vielleicht noch gecheckt, verstanden, überrissen, befreit, kreativ auf den Weg gebracht, geteilt, und und und …. werden sollte. „Es ist wirklich an der Zeit, dass die Dinge nun endlich etwas leichter gehen und der Fluss ein wenig beständiger wird!“, hat sie neulich gemeint (die Wurst). „Wo bleibt bitte die Ernte, der Dank, das Wohlgefühl?“ Dass sie in diesem Zustand nicht beobachtet werden möchte, versteht sich von selbst. Schaue ich oder jemand anderer hin, hält sie sich die Hände vors Gesicht und schreit: „Ich bin nicht da!“

Einschlägige Wortmeldungen der Umwelt á la „Du bist echt abgehoben mit deiner Meditiererei und deinen Anschauungen, komm´ wieder runter, das reale Leben findet hier auf Erden statt!“ setzen den Dingen die Krone auf und werfen die aus der Bahn, die gedacht hat, alles richtig zu machen. Dem nicht genug, verbündet sich diese schließlich auch noch mit dem Chor der Umwelt und beschimpft mich anlässlich meiner Unfähigkeit, dass ich nach all den Jahren, die ich schließlich schon am Weg bin, nicht weiter bin.

Wie löse ich diese Spannungen in mir auf?
Nein, noch mehr: Wie schließe ich diesen Spalt zwischen Erkennen und Verhalten? Dass ich diesen Spalt selber aufrechterhalte, kann ich sehen. Das nützt mir leider rein gar nix.

Wie und wo geht es weiter?

Vielleicht ist das bereits zu viel gefragt, wissen würde ich´s aber schon gern. Ich bin gespannt
Viele Grüße und danke!

Andrea

Liebe Andrea,

die zwei, drei und mehr Andreas entspringen alle einem Programm. Unterschiedliche Rollen, die Ähnliches tun: sie denken zu viel, rackern sich ab, bemühen sich, übergehen körperliche Signale, geben ihr Letztes, um sich dann schließlich dafür auch noch zu zu beschimpfen. Und dann setzt der Verstand dem auch noch die Krone auf, indem er dir weismachen will, dass eine dieser Rollen „erleuchtet“ ist oder zumindest schon längst sein sollte :-).

Keine dieser Andreas bist du wirklich, keine einzige. Weder die, die sich aufopfernd verausgabt, noch die, die beleidigt aus der Ecke zuschaut. Lass sie alle los! Die Andrea, die du wirklich bist, liegt hinter, zwischen und über den Gedanken, Emotionen und Handlungen. Sie ist ruhig, gleichbleibend und ohne Form. Sie ist das, was auftaucht, wenn du für ein paar Sekunden aufhörst, zu denken. Sie ist immer da, war immer da und wird immer da sein. Nur: sie drängt sich nicht auf wie das Laute, Bunte, Bewegte. Willst du mit ihr in Verbindung treten, musst du dich sehr auf sie konzentrieren, immer wieder, immer wieder. Und du musst darauf vertrauen, dass es so ist, dass es sie gibt. Sobald du mit ihr (wieder :-)) verbunden bist, weißt du auch, dass du selbst wirklich immer da bist, auch im größten Stress, nur halt nicht im Vordergrund.

Mein Vorschlag: Entspann dich, rutsch in dein Herzfeld, konzentriere dich nur auf das Ein- und Ausatmen. So lange, bis es ruhig ist im Kopf. Dann verbinde dich mit der Weite, die hinter den Gedanken liegt und bleib dran an ihr, bleib dran an ihr. So lange, bis du intuitiv wahrnehmen kannst, dass da wirklich etwas ist und dass sich vor diesem gleichbleibenden Hintergrund alles relativiert, beruhigt und auflöst.

Gutes Gelingen!
Maria